Warum für Heiligsprechungen Wunder verlangt werden

 

Ein Berater der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungsprozesse gibt Auskunft.

Vatikan (www.kath.net / zenit) Wunder bei Heiligsprechungsprozessen sind entscheidend, da sie die göttliche Bestätigung für die Heiligkeit der angerufenen Person sind, erklärte Monsignore Michele Di Ruberto, Untersekretär der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungsprozesse. Er hat 35 Jahre in diesem Dikasterium verbracht und war in den letzten beiden Jahrzehnten Mitglied des medizinischen Beirates, der für die Bestätigung von Wundern entscheidend ist.

Di Ruberto war außerdem Relator im Prozess von Gianna Beretta Molla, die Papst Johannes Paul II. am 16. Mai gemeinsam mit fünf anderen Seligen heilig sprechen wird. Um die Echtheit einer wundersamen Begebenheit beweisen zu können, müsse man den Fall einer strengen wissenschaftlichen und theologischen Untersuchung unterziehen, erklärte Monsignore Di Ruberto in einem Interview mit der italienischen Monatszeitschrift „30 Tage“.

„Für die Seligsprechung eines Diener Gottes, der kein Märtyrer ist, verlangt die Kirche ein Wunder; für die Heiligsprechung, auch der eines Märtyrers, verlangt sie ein weiteres“, erklärte er. „Nur die vermuteten Wunder, die der Fürsprache eines Diener Gottes oder eines Seligen nach dessen Tod zugesprochen werden, können Gegenstand der Überprüfung sein.“

Ein Wunder ist ein „Ereignis, das über die Kräfte der Natur hinausgeht und das von Gott - auf die Fürsprache eines Diener Gottes oder eines Seligen - bewirkt wird.“ Dies geschehe „außerhalb dessen, was in der geschaffenen Natur als normal gilt,“ sagte Monsignore Di Ruberto. Die Untersuchung eines Wunders wird getrennt von der Prüfung von Tugenden oder des Martyriums durchgeführt.

Der Prozess der Anerkennung eins Wunders kennt zwei Stufen. Die erste steht im Zuständigkeitsbereich der Diözese, in der sich das Wunder ereignet hat. Dort werden Augenzeugen-Berichte und beweiskräftige Dokumente sowie anderes Material gesammelt. In der zweiten Stufe untersucht die vatikanische Kongregation alle gesammelten Beweis-Materialien.

Jemanden für heilig zu erklären, ist nicht wie die Verleihung eines Ehrentitels. Selbst „wenn jemand im Himmel ist, kann es sein, dass er der öffentlichen Verehrung nicht würdig ist“, erklärte Monsignore Di Ruberto. Außerdem seien der Vorgang, „heldenhafte Tugenden mittels der Sammlung von Zeugnissen und Beweismitteln“ und mittels „theologischer Bewertungen“ nachzuweisen nicht gefeit vor möglichen Fehlern. Es könne ein langwieriger Prozess sein, bis man „zur moralischen Sicherheit“ gelangt und ein „wohl begründetes, ernsthaft und exakt erscheinendes Urteil formuliert.“

„Wir können Fehler machen und uns täuschen“, sagte der Staatssekretär. „Wunder hingegen können nur von Gott vollbracht werden und Gott täuscht nicht.“ Wunder sind ein „sicheres Zeichen der Offenbarung, die bestimmt sind, Gott zu verherrlichen, unseren Glauben zu erwecken und zu verstärken und daher sind sie auch eine Bestätigung der Heiligkeit der angerufenen Person“, sagte der Monsignore.

Infolgedessen, macht es die Anerkennung eines Wunders „möglich, mit Sicherheit die Erlaubnis zur Verehrung zu erteilen“, fügte er hinzu. Deshalb sei „die große Bedeutung der Beibehaltung von Wundern eine Voraussetzung in Heiligsprechungsprozessen“. Ein Kollegiumsausschuss, der aus fünf medizinischen Spezialisten und zwei professionellen Fachleuten besteht, bildet den „medizinischen Beirat“, welcher die wissenschaftliche Untersuchung des vermuteten Wunders leitet. Ihr Urteil ist von „streng wissenschaftlicher“ Natur. Ob jemand von ihnen „Atheist ist, oder einer anderen Religion angehört“, ist daher nicht relevant, betonte Monsignore Di Ruberto.

„Ihre Untersuchung und abschließende Diskussion werden mit der genauen Aufstellung der Diagnose der Krankheit, dem prognostizierten Verlauf, der Behandlung und ihrer Heilung abgeschlossen“, setzte er fort. „Um als Gegenstand eines möglichen Wunders angesehen zu werden, muss die Heilung von den Spezialisten nach dem gegenwärtigen medizinischen und wissenschaftlichen Wissensstand rasch verlaufen, vollständig sein, über eine lange Zeitspanne andauern und als unerklärlich eingestuft werden.“

Das Wunder mag weit über Möglichkeiten der Natur im Bezug auf den Inhalt, den Gegenstand des Ereignisses, oder die Art und Weise, wie es sich ereignet hat, hinausgehen. Deshalb gibt es eine Unterscheidung von drei großen Wundern: Die Wiederauferstehung von Toten, die vollständige Heilung einer als unheilbar eingestuften Person, die einen Wiederaufbau von Organen zur Folge haben kann, oder die Heilung einer Erkrankung, die längerfristig heilbar gewesen wäre, die aber plötzlich eintrat.

„Wenn es Unsicherheiten gibt stellt der Beirat vorübergehend die Auswertung ein und fordert mehr Experten oder mehr beweiskräftige Dokumente“, sagte Monsignore di Ruberto. „Wenn einmal eine Mehrheit oder eine Einstimmigkeit bei der Abstimmung besteht, wird die Untersuchung an den Beirat der Theologen weitergegeben.“

Beginnend mit den Schlussfolgerungen des medizinischen Beirates werden die Theologen „gerufen, um den Zusammenhang der Ursache zwischen dem Gebet zum Diener Gottes und einer unerklärlichen Heilung oder einem technischen Erfolg zu identifizieren, und sie sprechen das Urteil aus, ob die wundersame Begebenheit ein wirkliches Wunder ist.“

„Wenn die Theologen ihre Abstimmung auch schriftlich ausgedrückt haben, wird die Bewertung zurück an die Kongregation geschickt. Bischöfe und Kardinäle „diskutieren nach der kurzen Erläuterung eines ,Sprechers’, alle grundlegenden Umstände des Wunders“, sagte der Monsignore und fügte hinzu: „Jeder Teilnehmer gibt sein Urteil ab, welches der Anerkennung durch den Papst unterstellt werden muss.“

Im letzten ist der Heilige Vater derjenige, der „ über ein Wunder und über die öffentliche Bekanntmachung des Dekrets entscheidet“, erklärte di Ruberto. Das Dekret sei „ein Rechtsakt der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungsprozesse, der vom Papst sanktioniert und „durch den eine wundersame Begebenheit als echtes Wunder definiert wird“.

URL: http://www.kath.net/detail.php?id=7665
Auf KATH.NET seit dem: 15. 05. 2004    10:44 Uhr
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